19. September 2021

Wie erklärt man Kindern den Holocaust?

«Where is Anne Frank» arbeitet die Vergangenheit als Animationsfilm mit Gegenwartsbezug auf, während die Dokumentation «The Lesson» zeigt, wie das Thema in deutschen Schulen behandelt wird.

Anne Franks Schicksal steht stellvertretend für sechs Millionen ermordete Juden: Ari Folman («Waltz with Bashir») hat einen ergreifenden Animationsfilm über das Mädchen gemacht. © Purple Whale FilmsAnne Franks Schicksal steht stellvertretend für sechs Millionen ermordete Juden: Ari Folman («Waltz with Bashir») hat einen ergreifenden Animationsfilm über das Mädchen gemacht. © Purple Whale Films

Elena Horn hat kein so gutes Gefühl bei der Sache. «Wie unterrichten wir deutsche Kinder über den Holocaust?», fragt sie sich eher bange. Und: «Werden sich unsere Kinder den neuen Rechten vehement wiedersetzen?» Horn, eine junge Filmemacherin aus dem kleinen Ort Fröndenberg, in der Nähe von Dortmund, ging zurück auf ihre alte Schule und setzte sich mit der Kamera ins Klassenzimmer.

Am Ende filmte sie fünf Jahre lang mehr oder weniger durch: Entstanden ist die Dokumentation «The Lesson», die am ZFF in der Kinderfilm-Reihe gezeigt wird – und genauso wichtig ist für ein junges Publikum wie für alle andern. Der Film setzt da ein, wo die Kinder im Geschichtsunterricht das Jahr 1933 erreicht haben. Horn gelingt es, vielsagende Momente festzuhalten, so etwa die intuitiven Fragen der Schüler zum Thema: «Warum haben sich nicht alle Deutschen gegen Hitler gestellt?, Schämen sich die Deutschen heutzutage für Hitler?»

Die Lehrer stellen auch gute Fragen: «Wer hat im Bekanntenkreis Leute, die sagen: ‹Ich möchte über das Thema nicht reden›?» Überall in der Klasse schiessen die Hände in die Höhe. Vielleicht, denkt man sich in dem Moment, müsste man eher bei der Erwachsenbildung ansetzen. Schliesslich sind nicht die Kinder für das Wiedererstarken des Antisemitismus in Europa verantwortlich. Gleichzeitig zeigt «The Lesson» aber auch, wie Jugendliche Gefahr laufen, von Verschwörungstheorien angesteckt zu werden.

Sie habe sich beim Fussball mal mit ihren Mannschaftskolleginnen und dem Trainer ausgetauscht, erzählt ein Mädchen. «Und die haben so ein bisschen anders gedacht als wir in der Schule denken.» Es sei alles «total doof», was in den Geschichtsbüchern drinstehe, «und Hitler war gar nicht so schlimm». Jetzt wisse sie nicht mehr, was sie eigentlich glauben solle, sagt die Schülerin.

Anne Franks wütende Brieffreundin

Wie erreicht man die Kinder, und wie erreicht man die Erwachsenen, die sagen, sie wollten über das Thema nicht mehr reden? Ari Folman versucht es mit einem Kniff: Der israelische Starregisseur, der mit dem dokumentarischen Animationsthriller «Waltz with Bashir» für den Oscar nominiert war, verknüpft die Shoa mit der heutigen Flüchtlingskrise. In seinem neuen Animationsfilm «Where is Anne Frank», der in der Gala-Sektion des ZFF läuft, erweckt er Kitty zum Leben, die Brieffreundin aus Anne Franks berühmtem Tagebuch. 75 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg irrt die junge Frau durch Amsterdam und sucht Anne. Als sie darauf aufmerksam wird, wie Migranten in Lagern auf ihre Abschiebung warten, wird sie wütend. «Tut alles, was ihr könnt, um auch nur eine einzige Seele zu retten.» Kitty heckt einen Plan aus, um den Menschen zu helfen.

Die Idee zu einem Anne-Frank-Film hatte ein Schweizer: Yves Kugelmann, Chefredaktor der jüdischen Wochenzeitung «Tachles» und Stiftungsrat im Basler Anne Frank Fonds. Er fragte sich: Wie können wir das Interesse an dem Mädchen aufrechterhalten, das kurz vor Kriegsende im KZ Bergen-Belsen ihr Leben liess? Oder anders: Wie bringt man Kindern bei, was der Holocaust war? Folman hat eine eindringliche Antwort gefunden.

Kinderfilme, die ans Herz gehen

Bei «Where is Anne Frank» und «The Lesson» schnürt es einem die Luft ab. Aber es gibt im Kinderprogramm, natürlich, auch vieles, bei dem den Kleinen wie auch den Erwachsenen das Herz aufgeht. Etwa Gilles de Maistres «Le Loup et le lion» über ein Mädchen, das einen Wolfswelpen und ein Löwenbaby rettet. Oder dann den liebevoll animierten Film «The Ape Star» von Linda Hambäck, in dem sich schon 4-Jährige verlieren können.

Kinder drehen ein Musikvideo

In der von Generali Schweiz unterstützen Reihe dürfen die Kinder nicht nur im Kinosessel sitzen, sondern auch in Workshops ihre kreative Ader ausleben. So lernen sie die Grundlagen des Filmemachens mit dem Smartphone und helfen hinter den Kulissen mit, ein Musikvideo für den Sänger und Songwriter Luca Hänni zu drehen. Denn im Rahmen des Musikförderungsprogramms, welches Generali Schweiz in Zusammenarbeit mit den Swiss Music Awards (SMA) lanciert hat, entstand bereits der Song «There for you» von «SMA Kids by Generali ft. Luca Hänni». Jetzt kommen die Kleinen auch beim Videodreh gross zum Zug.

Dieser Beitrag erschien in der Beilage vom Tages-Anzeiger (18. September 2021)

Video abspielen
UBS Banner
Mercedes Benz Banner